Helga Engl-Wurzer unternahm eine Reise ans andere Ende der Welt. Dies sind Ihre Eindrücke von Ihrer Kreuzfahrt in die Antarktis an Bord der Silver Explorer.
Februar 2018
Eine Reise ans andere Ende der Welt geht nicht von heute auf morgen. Zunächst fliegen wir mit British Airways über London nach Buenos Aires, der lebhaften Hauptstadt Argentiniens. Um dann nochmal weiter in den Süden nach Ushuaia zu fliegen. Vom Winter in Wien in den Hochsommer Argentiniens in den Winter am südlichen Zipfel Südamerikas.
Das überschaubare Städtchen Ushuaia liegt am südlichsten Punkt der Zivilisation und dort ist eben schon wieder Winter. Außer dem Gefängnis, welches die Insassen Anfang des 20. Jahrhunderts selbst gebaut haben, gibt’s nicht viel zu sehen. Dafür aber sehr viele, nette und gute Restaurants und Bars, zum Beispiel das "Ramos Generales" – die Touristen müssen ja irgendwo hin.
26.Februar 2017: Seetag Drake Passage
Endlich geht’s an Bord der Silver Explorer. So a bissl Ehrfurcht haben wir vor der Drake Passage schon. Berechtigt, wie sich später heraustellen sollte. Wir richten uns in Kabine 500 gemütlich ein und schon ist unser Butler Richard zur Stelle und hilft uns beim Auspacken.
Der Rest des Tages vergeht mit Seenotübung, Crew-Vorstellung, dem Erkunden des Schiffes und einem Dinner served by Francesco, unserem portugiesischen „Sir Ober“. Wir beschränken uns auf 2 Gänge, wobei mich Francesco vor dem Beef warnt. Nun, ich habe nicht auf ihn gehört und er hatte recht. In Zukunft werde ich seine Ratschläge immer befolgen. Dafür ist das Dessert exzellent.
Auf geht’s in eine unruhige Nacht, Wellengang bis zu 5 Meter und 100km/h Windgeschwindigkeit.
27. + 28. Februar 2017: Seetage Drake Passage
Die Seekrankheit erwischt mich leider, gottlob habe ich sie am Nachmittag Dank einer Tablette vom Spezialisten an Bord wieder überstanden.
Die beiden Seetage verbringen wir damit, uns umfassend zu informieren. Zahlreiche Vorträge über die Fauna der Antarktis, sowie über die richtigen Verhaltensweisen bei unseren Landgängen vertreiben uns die Zeit.
Die International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO) sorgt dafür, dass die bestmöglichen Standards zur Schonung der Umwelt eingehalten werden. Schließlich erhalten wir superschöne Winterjacken (ganz neu) und Gummistiefel (ganz schön eng) und sind somit bestens gerüstet für die kommenden Tage.
1. März 2017: Mikkelsen Harbour & Cierva Cove
Ein wahrlich prachtvoller Tag. Blauer Himmel, glasklare Luft und rund um uns Eisberge. Perfekt organisiert in Gruppenfarben geht’s mit Zodiacs an Land. Um uns herum eine einfach atemberaubende Landschaft und jede Menge Pinguine und Robben. Wir wandern zwei Stunden auf dieser Insel herum und beobachten die Tiere aus nächster Nähe. Die jungen Pinguine sind in der Mauser, bekommen neue Federn und watscheln recht flott den Eltern hinterher um Futter zu ergattern. Die Robben (nur die Männchen) liegen faul in der Sonne und stinken vor sich hin. Zum Mittagessen (sehr gutes Buffet) gleiten wir in vollkommen ruhigem Wasser weiter in die Cierva Cove Bucht. Einige Wale bekommen wir von der Ferne zusehen und die Szenerie rund um uns ist und bleibt einzigartig. Diese Wetterverhältnisse sind selten, wird uns von der Mannschaft immer wieder gesagt – wir sind Glückskinder.
Am späten Nachmittag machen wir eine Zodiacfahrt in der wunderschönen Bucht von Cierva Cove. Hier befindet sich auch eine Forschungsstation der Argentinier. Azurblaue Eisberge, Weddelrobbe auf Eisscholle, Chinstrap Pinguine und Buckelwale aus nächster Nähe und diese atemberaubende Landschaft im Abendlicht. Auch unser Führer Dimitri ist begeistert, er ist für die Geschichte zuständig, und hier am Zodiac kommen wir ihm nicht aus.
Beim „Recap“ wird der Tag von den Lektoren zusammengefasst und wir lernen alles mögliche im Zusammenhang mit der Antarktis. So detailliert würden wir uns daheim wohl kaum mit der Materie befassen. Aber ungemein spannend und interessant.
Ein wunderschöner Sonnenuntergang begleitet unser Abendessen mit Schnecken und hervorragender Ente. Nachtisch geht immer und zum Abschluss in der Bar ein Baileys auch.
2. März 2017: Foyn Harbour & Cuverville Island
Heute fahren wir schon um 8 Uhr hinaus auf dem spiegelglatten Meer. Rundherum leuchtende Eisberge in der Morgensonne. Wir beobachten Nasenrobben und diese neugierig uns. Ein Felsen wird von ganz weißen Eisschwalben bevölkert. Auf einem anderen Felsen sitzen Kormorane. Schiffswracks von Walfängern einmal in Stahl, einmal in Holz sind auch zu sehen. Und dann bricht auch noch ein Eisberg in unmittelbarer Umgebung auseinander. Britta aus Berlin hat sich erschreckt. So ein Eisberg kann schon einen kleinen Tsunami auslösen und ein Zodiac ordentlich ins Wanken bringen. Aber alles gut gegangen – wir halten uns aneinander fest.
Wieder zurück an Bord sitzen wir in der Bar, genießen einen heißen Cappuccino, schauen uns die Fotos vom Ausflug an und lassen wieder diese wunderbare Landschaft an uns vorbei gleiten.
Große Aufregung bevor es zum Lunch geht – Buckelwale unmittelbar vor dem Schiff. Unser Kapitän fährt vorsichtig näher: Mama Wal mit Baby Wal und einem Begleitwal. Auf der anderen Seite gleich noch einer. Wunderbar zu beobachten, schwierig zu fotografieren. Klick – Klick – Klick und hoffentlich ist eine Flosse dabei. Während des ganzen Mittagessens begleiten uns Wale, es ist überwältigend.
Unser Lieblingsober Francesco übrigens ist ein Faktotum. Elegant, humorvoll, positiv und vor allem natürlich ein umsichtiger Kellner. Den Sommelier allerdings könnte man auch einfach Getränkekellner nennen. Wir sind von seinen Weinkenntnissen nicht ganz so überzeugt, aber macht auch nichts. Die Getränke kommen prompt und die von uns ausgewählten Weine sind ganz gut.
Unser Nachmittagsausflug geht auf die Cuverville Insel mit Hunderten Eselspinguinen (Gentoo Penguins) Nasenrobben, Kormoranen. Wir nehmen die Tiere übrigens olfaktorisch schon von der Ferne wahr. Wir klettern (nicht sehr elegant) einen Berg hinauf und wundern uns mit welcher Leichtigkeit die Pinguine da hinauf kommen. Der Blick über die Bucht lohnt sich. Einzigartige Landschaften und ich entdecke meinen Nr. 1 Eisberg mit Loch in der Mitte. Am Rückweg zum Schiff machen wir noch einen Schlenker mit dem Zodiac durch die Eisberglandschaft (mit Weddelrobben drauf, wo wir uns auch nicht erklären können wie die da rauf kommen). Immer wieder schwimmen Pinguine und Robben an uns vorbei. Faszinierend.
Der Sonnenuntergang ist unbeschreiblich schön. Während das Schiff weiter zur nächsten Bucht fährt, strahlt die Eislandschaft in den unglaublichsten Farben.
Das abendliche Buffet (argentinisch) ist ein Genuss fürs Auge und für den Gaumen. Wir gönnen uns dazu einen französischen Chablis weil wir werden heute abend sehr aufmerksam vom Chef-Sommelier bedient (der hat ein umfangreiches Wein-Wissen).
3. März 2017: Neko Harbour & Paradise Island
Es ist kaum zu glauben, aber es scheint schon wieder die Sonne. Dieses tolle Wetter hatte die Crew während der gesamten Saison nicht. Die Silver Explorer erreicht den Neko Harbour. Wobei es hier nirgends einen Hafen gibt. Heißt nur so. Unsere Silver Explorer ankert, wie immer, auf See und wir werden wieder mit Zodiacs an Land gebracht. Im Fachjargon nennt sich das: „Wet Landing“ (darum auch die Gummistiefel, die nicht bequemer werden).
Auch der heutige Ausflug trägt das Prädikat „einmalig“. Wir betreten erstmals das Festland, den antarktischen Kontinent. Schon ein besonderes – ja – erhabenes Gefühl. Denn soviele Menschen kommen da ja auch nicht her. Wir müssen uns vorsichtig den Weg durch die Pinguine bahnen. Der eigentlich vorgeschriebene Abstand von 5 Metern zu den Tieren ist nicht einzuhalten. Die Viecher kommen ganz nah an uns heran und denken nicht daran aus dem Weg zu gehen – sehr entspannte Tierwelt. Wir beobachten die in der Mauser befindlichen Küken (die mitunter schon größer sind als die Eltern, weil der antarktische Sommer ja schon zu Ende geht) und staunen, wie sie den Eltern das Futter aus dem Rachen holen. Interessant auch zu beobachten wie Pinguin-Eltern Ihre Pinguin-Kinder finden. Schauen ja doch alle gleich aus. Also für uns. Mit Rufen und Hinterherlaufen funktioniert das aber prächtig und schaut echt drollig aus. Der riesige kalbende Gletscher, die Eisberge und bizarren Wolkenformationen rundherum erfreuen das Auge und die Kameralinsen.
Später sitzen wir am Observation Deck unseres Schiffes und vor uns spiegelglattes Wasser: die Paradise Bucht. Tatsächlich, und wie von der Crew angekündigt, einer der schönsten Flecken hier. Natürlich wieder bei strahlendem Sonnenschein. Habe ich schon erwähnt, dass wir Glückskinder sind? Der Bordfotograf ist fleißig am Werken. Er macht nicht nur die Fotos für und mit uns sondern sicher auch für alle Präsentation der nächsten Jahre. Mit so schönem Wetter kriegt er es die nächsten Jahre besser sicher nicht mehr hin.
Wieder geht ein schöner Tag mit der Zusammenfassung unserer sehr engagierten Lektoren zu Ende. Das Team rund um J.D. (Australierin und Expeditionsleiterin) besteht aus Lektoren mit verschiedenen Fachgebieten: u.a. Geologie, Geschichte, Vögel und Meerestiere. Die Lektoren kommen aus England, Russland, USA, Deutschland sowie Australien und alle sind rund um die Uhr im Einsatz. Sie halten nicht nur Vorträge, sondern sind auch Führer an Land und bei den Zodiacfahrten. Natürlich können sie auch noch gut mit den Schlauchbooten umgehen. Und freundlich sind sie alle obendrein.
Nach dem Abendessen im Bordrestaurant geht’s durch den 7 km langen Lemaire Channel und es erwartet uns – erraten – wieder bezaubernd schöne Landschaft und ein wunderbarer Sonnenuntergang, den wir an Deck mit Glühwein genießen.
4. März 2017: Petermann Island & Vernadsky Station
Ohhh, heute ist es bewölkt. Endlich also erleben wir, wie das Wetter hier zu 90% des Jahres über ist und schon schaut die Welt anders aus. Es fühlt sich auf der Petermann Insel kälter an als überall sonst, dafür aber scheinen die Eisberge noch tiefblauer zu sein. Hier sehen wir die hier noch verbliebenen Adelie Pinguine, zwei Robben, die sich in Pose werfen und natürlich jede Menge Gentoos, die aber nicht sonderlich aktiv sind. Die Eltern sind hier offensichtlich schon abgereist (will heissen: im Wasser) und haben die Jungen zurückgelassen. Sobald die Jungen das neue, wasserdichte Federkleid haben, wird der Hunger auch sie ins Wasser treiben. Noch ein paar Fotos an einem schönen Aussichtspunkt und dann zu Lektor Dimitri, der uns die ausschweifende Geschichte dieser Insel gnadenlos und in aller Ausführlichkeit (hey, es ist kalt, brrrr) näher bringt.
Apropos Kälte: Wir haben mittlerweile echt Übung darin, uns auf die Ausflüge bei -2 bis -5 Grad vorzubereiten: Sonnencreme, Strumpfhose bzw. lange Unterhose, warmes Unterleiberl, Rollkragenpullover, 2 Paar Socken , Skihose, Sportjacke, Schal, Daunenjacke, Windjacke, Haube, Handschuhe, Sonnenbrille, Rettungsweste, Handy, Zimmerkarte und auf geht’s drei Decks höher, wo die Gummistiefel warten. Michelin-Männchen ein Dreck dagegen, würde Brenner sagen.
Es wird heute – mehr als sonst – wissenschaftlich. Wir besuchen die Wernadsky Station, eine von der Ukraine betriebene Forschungsstation. Hier leben und forschen rund ein Dutzend Wissenschaftler. Sie sind für jeweils 12 Monate verpflichtet und geben uns einen interessanten Einblick in das Leben auf dieser Station. Der traditionelle Wodka an der sehr gemütlichen Bar beendet diesen außergewöhnlichen Ausflug. Es ist für uns Laien interessant zu hören, wonach Wissenschaftler aus der ganzen Welt hier forschen und was sie zu berichten haben. Man bekommt viel mehr Respekt für unsere Welt! Übrigens ist die in der Station aufgegebene Ansichtskarte tatsächlich 14 Tage später in Kärnten angekommen. Ob beamen schon funktioniert?
5. März 2017: Whaler’s Bay & Halfmoon Island
Heute wieder super Wetter, aber leider schon der letzte Ausflugstag: Shetlandisland at Whalers Bay. Wir machen am Vormittag auf Vulkansand am Strand entlang einen ausführlichen Spaziergang, der richtig gut tut. Bizarre Landschaft und kristallklare Luft – beides genießen wir sehr. In der Nacht hat es ein wenig geschneit und die Robben haben sichtlich Spaß daran und wälzen sich im Schnee.
Man sieht auch die Überreste der Behausungen einer Walfang Company, die in den 1930er Jahren wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossen wurde. Raffiniertes Öl hat Walöl abgelöst. Gut so!
1969 gab es zudem einen gewaltigen Vulkanausbruch, der die verbliebene Forschungsstation vernichtete und leider auch viele Todesopfer forderte.
Einen spektakulären Höhepunkt des heutigen Tages haben wir nicht mitgemacht: Polar Plunge – den Sprung ins eiskalte Wasser. Schon beim Zuschauen schaudert uns, aber viele Gäste und Crewmitglieder geben sich diesem Vergnügen (?) hin.
Am Abend steht die obligate „Crew Show“ unter besonders eifriger Beteiligung der philippinischen Mannschaftsmitglieder auf dem Programm. Die Show hat, trotz mehr oder weniger talentiertem Gesang, allen Spaß gemacht (uns ja eh auch).
6. + 7.März 2017: Seetage Drake Passage
Ruhige See, Vorträge, Gummistiefel retournieren, zwei relaxte Tage an dnen wir unsere Eindrücke verarbeiten können, bevor wir eine Nacht früher als geplant in Ushuaia ankommen. Die Koffer sind vom Butler vorbereitet und liegen am Bett zum Einpacken bereit. Ein wehmütiges Gefühl beschleicht mich.
Nach dem wieder mal sehr guten Dinner mit Francesco und einem kurzen Barbesuch mit allen Österreichern an Bord sagen wir „Gute Nacht und Auf Wiedersehen“.
8. März 2017: Usuaia-Buenos Aires-Madrid-Wien
Nach dem letzten Frühstück an Bord geht’s zum Flughafen und 4 Stunden später sind wir wieder in Buenos Aires, wo wir uns am Abend eine tolle Tango Show ansehen und eines der berühmten Steaks genießen. Zivilisation, Du hast uns wieder.
9. März 2017: Usuaia-Buenos Aires-Madrid-Wien
Nochmal volles Programm mit Shopping und Museumsbesuch. Nach einem Kaffee im Tortoni, dem „Landtmann von Buenos Aires“, geht’s zum Flughafen und über Madrid nach Hause.
Eine unvergessliche Reise mit wahrlich beeindruckenden Erlebnissen geht zu Ende.
Was ich auch noch sagen wollte:
Die Silver Explorer, die ja schon seit 2008 in Diensten von Silversea Expeditions steht, ging im März 2017 ins Trockendock in Spanien. Eine Generalsanierung stand an. Das Schiff ist sehr gemütlich und recht gut in Schuss. Bei genauerem Hinsehen aber, insbesondere in den Kabinen, konnte eine Revitalisierung auch nicht schaden.
Unbedingt erwähnenswert ist die überaus freundliche und gut geschulte Mannschaft an Bord. Der Umgang an Bord ist locker und zwanglos, es gibt keine Bekleidungsvorschriften. Ein Kleid für mich und ein Sakko für meinen Mann hab ich doch eingepackt für den Captain’s Cocktail und das Captain’s Dinner. War nicht verkehrt.
Wenn dieses einfache Tagebuch nach mehr Information schreien sollte, hätte ich noch eine Buchempfehlung: Antarktis von Christian Walther, der auch an Bord als Lektor mit von der Partie war.